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Ein Schritt ohne Fußabdruck

Eine Analyse von Lima Fritsche

Nach jahrelangen Verhandlungen und viel Kritik vom Europarat kommt das verpflichtende Lobbyregister nun doch. Kritiker:innen sagen: Das ist höchstens ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Auf einmal ging es ganz schnell: Der Bundestag hat am vergangenen Donnerstagabend die Einführung eines verpflichtenden Lobbyregisters beschlossen. Professionelle Interessenvertreter:innen müssen sich in Zukunft registrieren, wenn sie Kontakt zu Mitgliedern des Bundestags oder zur Bundesregierung aufnehmen wollen. Kritiker:innen fordern das schon seit Jahren. Trotzdem brauchte es erst die Maskenaffäre, um in der Union wieder Schwung in die Debatte zu bringen: Vor einigen Wochen einigte man sich mit der SPD auf einen Gesetzesentwurf; eine vom Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung geänderten Fassung wurde nun angenommen. 

Demnach müssen Lobbyist:innen zukünftig Angaben zu ihrem Arbeits- oder Auftraggeber sowie zur Anzahl der Beschäftigten und zu den finanziellen Aufwendungen für die Lobbyarbeit machen. Diese sollen in einem digital vom Bundestag geführten Register öffentlich einsehbar sein. Ursprünglich war geplant, dass das Register nur für Treffen mit Bundestagsabgeordneten gelten soll, mittlerweile werden auch die Ministerien berücksichtigt – von Minister:innen bis zu Unterabteilungsleiter:innen. Bei Verstößen soll es Geldstrafen bis zu 50.000€ geben. 

Lobbyismus an sich muss nicht verteufelt werden, das sagen sogar die meisten Kritiker:innen. Es ist hilfreich, wenn Politiker:innen sich mit den Betroffenen der Gesetze austauschen; sie profitieren von deren Expertise und persönlicher Einschätzung. Problematisch ist aber, dass große Unternehmen deutlich mehr Kapazitäten für Lobbyarbeit haben als kleine Vereine. Ein Lobbyregister könnte diese Ungleichheit zumindest sichtbar machen. 

Der exekutive Fußabdruck fehlt

Die Union scheint zufrieden, Patrick Schnieder (CDU) sagt: “Ende gut, alles gut.” Auch Timo Lange von LobbyControl, einer Nichtregierungsorganisation, die sich für mehr Transparenz beim Lobbyismus einsetzt, sagt: “Das Lobbyregister ist ein Schritt in die richtige Richtung.” Dennoch fehlen ihm einige zentrale Aspekte, die auch die Opposition kritisiert hat. Es sei vor allem “sehr schade”, dass es keinen exekutiven Fußabdruck geben soll. Das bedeutet, dass die Ministerien nicht angeben müssen, welche Ideen und Wünsche von Interessenvertretungen in ein Gesetz eingeflossen sind. Die Union sagt, der bürokratische Aufwand eines solchen Fußabdrucks wäre zu hoch. Auch einzelne Kontakte müssen Lobbyist:innen weiterhin nicht offenlegen. Schnieder führt als Begründung an, dass man “keine Hürden aufbauen” wolle. Keine Kontakttransparenz heißt jedoch, dass im Dunkeln bleibt, worüber Lobbyist:innen mit wem sprechen.

Darüber hinaus kritisiert Lange, dass das Register in den Ministerien nur bis zur Ebene der Unterabteilungsleiter:innen greifen soll. Seiner Meinung nach müsste die Registrierungspflicht auch für die Arbeitsebene darunter gelten: “Dort wird zum Stift gegriffen, wenn es um konkrete Formulierungen geht, dementsprechend findet dort auch Austausch mit Lobbyist:innen statt.” Das ist aber nicht die einzige Ausnahme: Es müssen sich nur “professionelle” Lobbyist:innen registrieren, die “regelmäßig” Kontakt zur Politik haben – einige können also unter dem Radar bleiben. Zudem müssen sich Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände sowie Kirchen- und Weltanschauungsgemeinschaften nicht registrieren. Michael Frieser (CSU) bezeichnet die Kritik daran als “Panik” vor den genannten Gruppen. Die Ausnahme habe rein verfassungsrechtliche Gründe. 

Bei der registerführenden Stelle hätte sich Lange “etwas Unabhängigeres” als die Bundestagsverwaltung gewünscht. Dass es Strafen für Verstöße gibt, begrüßt er, es sei aber nicht ausreichend, dass Lobbyist:innen, die die Angaben zur Finanzierung verweigern, nur auf einer schwarzen Liste landen. 

Jahrelange Kritik vom Europarat

Schon seit Jahren kritisiert GRECO, die Staatengruppe gegen Korruption des Europarats, Deutschlands Mangel an Transparenz beim Lobbyismus. Im Bericht der fünften Evaluierungsrunde, der im Dezember 2020 veröffentlicht wurde, heißt es: “Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht zu wissen, welche Akteure die politischen Entscheidungen beeinflussen.” Das GRECO-Evaluierungsteam empfiehlt beispielsweise “wesentliche Beiträge zu Gesetzesentwürfen […] zu identifizieren, zu dokumentieren und offenzulegen.” Timo Lange fühlt sich dadurch in seiner Forderung nach dem exekutiven Fußabdruck bestätigt. 

Er findet die GRECO-Berichte insofern hilfreich, dass das Thema Lobbyismus regelmäßig wieder diskutiert wird. Trotzdem würde er sich manchmal konkretere Anforderungen wünschen: “Häufig sind die Berichte so formuliert, dass die deutschen Behörden sich mal mit mangelnder Transparenz beim Lobbyismus beschäftigen sollen, ohne auch zu sagen, was dabei rauskommen soll.” Das mache es Deutschland leicht: “Man könne sich einfach bei GRECO zurückmelden und sagen, dass man sich Gedanken gemacht hat, aber zu dem Schluss gekommen ist, dass kein weiterer Handlungsbedarf besteht.” 

Dementsprechend lange habe die Union damit durchkommen können, keine Lösung für das Problem zu finden. Die Diskussion um ein Lobbyregister stagnierte immer wieder, man wurde sich nicht einig – bis es zu einer Krise kam und die Öffentlichkeit Druck machte. So landete das Register 2020 nach dem Fall Amthor und 2021 nach der Maskenaffäre wieder auf der Tagesordnung. Dabei hätte ein Lobbyregister beide Fälle nicht lösen können: Das Problem war vielmehr, dass Politiker:innen sich nicht ihres Amtes angemessen verhalten haben. Dieses Problem soll zukünftig ein Verhaltenskodex lösen. Timo Lange findet jedoch auch diesen “zu vage.” Er fasst zusammen: “Es gibt Licht, aber auch viel Schatten.”

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